Neubaugebiete sind für Messel kein Heilmittel
Messel hat in den vergangenen Jahren mit Wentzenrod I, Schatzgemahden, Brückmann-Gelände, Wentzenrod II und Markstraße mehr Neubaugebiete ausgewiesen, als für ein Dorf seiner Größe üblich ist. Während in vergleichbaren Orten vielleicht alle zehn oder fünfzehn Jahre neue Flächen erschlossen werden, ging es in Messel zuletzt Schlag auf Schlag. Diesen Weg der immer weiteren Expansion müssen wir verlassen, denn er hat sich als Sackgasse erwiesen.
Messel wurde vergrößert, ohne die Infrastruktur anzupassen: Die Kläranlage ist am Anschlag, das Kanalnetz überaltert und stellenweise überlastet, es gibt zu wenige Kita-Plätze, und die Schule ist schon seit Jahrzehnten zu klein. Es ist höchste Zeit, diesen Rückstand erst einmal aufzuholen, bevor an weitere Bebauung auch nur gedacht wird.
Für die Notwendigkeit von Neubaugebieten führen die Befürworter folgende Argumente an:
- Erhalt der Infrastruktur („verhindern, dass der Netto abwandert“)
- Verjüngung („zu viele ältere Menschen in Messel bringen keine Einkommensteuereinnahmen mehr“)
- Verbesserung des Haushalts durch Einnahmen aus Grundstücksverkäufen, Grundsteuer und Einkommensteueranteil
Brauchen wir Neubaugebiete, damit der Supermarkt erhalten bleibt?
Der Betreiber des Supermarkts hat schon 2021, also lange bevor mit dem Bau von Wentzenrod II und Markstraße überhaupt begonnen wurde, nach Erweiterungsmöglichkeiten gefragt. Pläne für einen neuen, größeren Netto liegen bereits in der Schublade. Wenn das Geschäft nicht gut liefe, hätte es eine solche Anfrage wohl nicht gegeben. Dass der Markt floriert, erkennt auch der Kunde, wenn immer wieder mal Produkte an bestimmten Tagen vergriffen sind. Und: Nicht nur Messler kaufen hier ein, neben Urberach gehört auch Offenthal zum Einzugsbereich. Dieses Argument der Baubefürworter greift somit nicht.
Überaltert Messel?
Manche Baubefürworter wollen das Glauben machen. Tatsache ist: Es gibt einen hohen Anteil älterer Menschen in Messel. Doch Demografie ist ein fließender natürlicher Prozess. Wer aufmerksam durch Messels Straßen geht, kann leicht erkennen, dass immer wieder Häuser im Ortskern von jungen Familien übernommen und renoviert werden. Die Verjüngung ist im Gange. Auch dieses Argument der Baubefürworter greift nicht.
Mit Neubaugebieten die Gemeindefinanzen aufbessern?
Für dieses Hauptargument der Bau-Befürworter gibt es bis heute keine Belege. Es wird aber gebetsmühlenartig wiederholt, so lange, bis es als „Wahrheit“ wahrgenommen wird. Die Realität zeigt: Messel steckt auch nach Wentzenrod I, Schatzgemahden, Brückmann-Erweiterung und anderen Neubauten noch in den roten Zahlen.
Dass man mit Neubaugebieten die Finanzen einer Kommune sanieren könnte, ist längst widerlegt.
- Das Deutsche Institut für Urbanistik hat bereits 2009 in einer Studie festgestellt, dass die Einbeziehung der Kosten für Grundschulen und Kindergärten den Saldo aus Erträgen und Kosten bei Wohngebieten so stark verschlechtert, „dass auch dort, wo genügend räumliche Kapazitäten vorhanden sein dürften, bereits durch die Abdeckung der Betriebskosten der beiden sozialen Einrichtungen ein negatives Ergebnis erzielt wird.“
- Der NABU hat in einer Studie festgestellt:
„Den Städten und Gemeinden droht mit der Erschließung von neuen Siedlungen eine Kostenfalle“
- Wer den Blick auf Langen richtet, findet ein beeindruckendes Negativbeispiel: Die Stadt erstickt geradezu an dichter Neubebauung mit fragwürdiger Wohnqualität, doch die Stadtkasse ist aufgrund der Kita-Kosten trotzdem leer, nachzulesen auf Langens Website.
- Die Stadt Dieburg hat kürzlich nachgerechnet, wie sich Neubaugebiete auf die städtischen Finanzen auswirken. Um es kurz zu machen: Allein die laufenden Kosten neutralisieren die Einnahmen vollständig. Sondereffekte wie beispielsweise eine notwendige Erweiterung der Kläranlage, Kanalerweiterungen, Kita-Neubau können die Bilanz sogar deutlich ins Negative führen. Dieburgs Bürgermeister Frank Haus stellt fest (Darmstädter Echo vom 22. Februar 2022): „Deutlich wird, dass in rein haushaltswirtschaftlicher Hinsicht eine Bevölkerungszunahme nicht zu Mehreinnahmen in der Kommune führen wird.“
Das Argument des Einnahmenüberschusses ist längst entkräftet.
Wohnraumbedarf und Siedlungsdruck
Die Befürworter der baulichen Expansion sprechen auch gerne von Siedlungsdruck, dem Messel ausgesetzt sei. Das ist tatsächlich so, die Menschen zieht es ins Grüne. Messels Lage, seine noch weitgehend luftige Bebauung und die relativ gute Verkehrsanbindung machen unser Dorf äußerst attraktiv.
Die Frage ist: Wer zwingt uns, diesem Druck nachgeben? Wollen wir hinnehmen, dass unsere Wohnqualität immer weiter abnimmt? Dass immer mehr Lebensraum für Pflanzen und Tiere, Erholungsraum für uns Menschen verloren geht, Grünfläche die so wichtig ist für das Mikroklima, für Lebensqualität? Und wie lange kann das gutgehen?
Messel ist laut dem Regionalplan Südhessen als Kleinzentrum eingestuft, das sich vorrangig aus sich selbst heraus entwickeln soll. Das bedeutet: Bauen ja, wenn die Messler selbst Bedarf haben. Zuzug ist in diesem Modell nicht vorgesehen („Bei der Ausweisung von Wohnsiedlungs- und Gewerbeflächen sollen Kleinzentren sich grundsätzlich an der Eigenentwicklung orientieren.“ Regionalplan Südhessen 2010, PDF, Seite 23).
Klimaschutz
Messel ist nur ein Dorf, aber auch bei uns muss Klimaschutz eine wichtigere Rolle einnehmen. Stetiges Wachstum ist die eigentliche Ursache der menschengemachten Klimakrise – die Natur kann nicht mehr mithalten. Das hat auch die Landesregierung erkannt, wie den Entwürfen zu einem überarbeiteten Regionalplan Südhessen zu entnehmen ist: Der Flächenverbrauch soll verringert, die Innenentwicklung (Flächen innerhalb der Siedlungsgrenzen) Vorrang vor Außenentwicklung (neue Flächen außerhalb der Siedlungsgrenzen) haben, Entstehungsgebiete für Kalt- und Frischluft sollen geschützt werden.
Fazit
Die Argumente für weitere Neubaugebiete in Messel sind widerlegt. Messel ist bereits schneller expandiert, als gesund wäre, die Infrastruktur ist nicht mitgewachsen. Kosten, die durch die Erweiterung entstanden sind beziehungsweise noch entstehen, werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Das ist nicht hinnehmbar.
Wie in den regionalen Entwicklungskonzepten vorgesehen, muss Messel sich nachhaltiger entwickeln und zunächst ungenutzte Flächen innerhalb der bestehenden Siedlungsgrenzen für neuen Wohnraum erschließen, so dieser denn im Ort benötigt wird. Zuzug darf hier nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Dass es durchaus Potenzial für neuen Wohnraum im Inneren Messels gibt, sollte eine Studie des Landkreises bereits vor einigen Jahren zeigen. Ein solches Papier wurde für verschiedene Gemeinden beauftragt, ist aber von Ex-Bürgermeister Andreas Larem nie der Gemeindevertretung und den Bürgern vorgestellt worden, obwohl das vom Landkreis so vorgesehen war. Gemeinden wie Roßdorf (Link) und Münster (Link) haben längst Bürgerversammlungen dazu abgehalten. Die Bürger Messels dürfen gespannt sein, wann sie über die Ergebnisse dieser Studie informiert werden.